Mohammed (sav) als führender/regierender Prophet

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Freitag, 30. April 2010

Mohammed (sav) als führender/regierender Prophet

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Die Mission Mohammeds (sav) als Prophet setzt sowohl einen Maßstab für die Perfektion des persönlichen und geistigen, als auch des sozialen und materiellen Lebens und bietet in beiden Bereichen ein Modell für die Menschheit. Die Muslime anerkennen als Gläubige in beiden Bereichen die Position und Autorität des Propheten als Wegweiser. Man kann jedoch erkennen, dass die islamische Welt ihn weniger als Begründer einer neuen sozialen Ordnung kennt, sondern vielmehr an seiner persönlichen und geistigen Führung interessiert ist. Dies ist auch sichtbar in der Literatur über den Propheten. Die Tatsache, dass sich das soziale Leben der Muslime im Laufe der Geschichte stets im Rahmen des Korans und der Sunna entwickelte, hatte natürlich auch einen gewissen Einfluss auf jenes Interesse; geistige Reife und tugendhafte persönliche Lebensführung wurden als Mittel angesehen, eine geordnete und friedliche Gesellschaft zu erstellen. Die Tatsache, dass die westliche Welt in ihrem religiösen Verständnis die Religion und das materielle Leben voneinander getrennt betrachten und folglich nur die persönliche und geistige Führung der Propheten annimmt, erschwert den Einblick in die soziale Mission Mohammeds (sav) und seine historische Bedeutung, weshalb man daraus generell auch schlussfolgert, dass der Prophet sich zu viel sozial und politisch engagiert habe. Ein weiteres Problem ist, dass der Westen die von Mohammed (sav) gegründete Zivilisation über Jahrhunderte hin bekämpfte und ihr feindlich gegenüberstand und ihre sich im Mittelalter geformte Auffassung mit ihren Vorurteilen und ihrer ablehnende Haltung immer noch nicht aufgeben will.

Man versuchte den außergewöhnlichen Erfolg des Gesandten, dem Begründer einer weltweiten Bewegung, aus geistiger und sachlicher Sicht zu erläutern. Religiöse Gelehrte und Muslime sind der generellen Auffassung, dass sein Erfolg auf seine Prophetie und göttliche Auserwähltheit zurückzuführen ist; westliche Wissenschaftler und Historiker hingegen sind der Ansicht, dass dieser Erfolg auf historischen Tatsachen und ähnlichen Erfahrungen beruht und vor allem die attraktive Führerschaft und charismatische Ausstrahlung des Propheten ausschlaggebend gewesen ist. Die aus islamischer Sicht vorbildhafte Persönlichkeit Mohammeds (sav) muss seiner historischen Person nicht unbedingt als Gegensatz gegenüberstehen; im Gegenteil, die beiden Aspekte des Propheten bedürfen lediglich eigener Forschungswege und verschiedener analytischer Methoden. Für den Gläubigen besteht kein Zweifel an der Unterstützung und Hilfe Allahs für seinen Gesandten. Folglich würde die Ignorierung seiner erhabenen Eigenschaften Gefahr laufen, seine menschlichen Qualitäten allein auf eine einfache Übermittlung der heiligen Botschaften zu reduzieren.

Man muss hier daran erinnern, dass der Prophet, trotz all seiner erhabenen Fähigkeiten und Eigenschaften, ein Leben wie jeder andere geführt hat und in seiner einfachen Lebensweise ein Vorbild für seine Mitmenschen gewesen ist. Andernfalls könnte sein Leben, wie auch im Koran dargelegt, auch nicht als zu befolgendes Ideal angesehen werden. Er wurde für alle Menschen, mit ihren verschiedenen Persönlichkeiten, Moral, Sehnsüchten und Neigungen, als Wegweiser gesandt und war ausgestattet mit einer seelischen und geistigen Reife, welche alle individuellen und sozialen Ansprüche der Menschen erfüllen konnte. Seine Verhaltensweise besaß eine Tiefe und Weite, die alle Menschen und Gesellschaften mit all ihren Veranlagungen umfassen konnte. Und die Tatsache, dass Mohammed (sav) der einzige Prophet und Führer der Menschheitsgeschichte ist, der seine Werte auf politischem, rechtlichem, ökonomischem und sozialem Gebiet durchsetzen konnte, ist auf seine menschliche Führungsmission und Qualität als Wegweiser der Zivilisation zurückzuführen.

Seine Aufgabe war nicht nur die Verkündung der Offenbarung; die Menschen zu der verkündeten Religion einzuladen, das Wesen der Religion zu erläutern und auszuleben 2,  und ein neues Gesellschaftsmodell zu errichten, all dies gehörte zu seinem Aufgabengebiet. Schließlich liegt der Sinn der Prophetie nicht nur in der Verkündung bestimmter Grundsätze, sondern auch im individuellen und sozialen Wandel.

Der Gottesgesandte unterscheidet sich in seiner menschlichen Eigenschaft als Geschöpf Gottes von allen anderen in seiner Mission und der damit verbundenen geistigen Persönlichkeit. Der Koran betont auf der einen Seite die menschliche Natur des Propheten und unterstreicht auf der anderen Seite seinen ausgezeichneten, vollkommenen Status und seine Überlegenheit gegenüber anderen Menschen. Der Befehl Allahs, Ihm und seinem Gesandten Gehorsam zu leisten, und sich bei Streitigkeiten an Allah und seinen Gesandten zu wenden 4 deutet darauf hin, dass diese auch ihm als Propheten zustehen. Im Koran wurde jedoch für Mohammed (sav) anstelle von Herrschaft (mulk) das Wort „hukm" verwendet. Nach einer Überlieferung von Ahmed b. Hanbel heißt es, dass Allah dem Propheten die Wahl zwischen der Qualität als „Herrscherprophet" und „Dienerprophet" gab und er den Rat Gabriels, Allah gegenüber bescheiden zu sein, befolgte und die Eigenschaft des „Dienerpropheten" wählte 7. Erläutert wird dieser Gehorsam gegenüber Mohammed (sav) durch die zweifelsfreie Annahme und unwiderrufliche Hinnahme seiner Führung und seiner Urteile. Während der Gehorsam gegenüber Allah das Fundament zum Gehorsam gegenüber dem Propheten darstellt, ist der Gehorsam gegenüber dem Propheten die einzig sichtbare Verdeutlichung des Gehorsams gegenüber Allah: „Wer dem Propheten Gehorsam leistet, leistet Gehorsam gegenüber Allah" 5.

 

Außenbeziehungen

Nach der Einwanderung des Gottesgesandten in Medina bekehrten sich die arabischen Stämme zum Islam und allein die Juden hielten sich zurück. Es ist am gesamten Verhalten des Propheten zu erkennen, dass er keinerlei Vorurteile gegenüber den Juden besaß; er hatte sogar im Medina-Abkommen eine zivile Gleichberechtigung zwischen Muslimen und Juden ausgerufen. Doch es stellte sich schon bald heraus, dass die Juden die Gefahr erkannten, ihr „Auserwähltsein" innerhalb einer gemischten Gesellschaft und unter fremder Führung zu verlieren, sie jedoch auf dieses Privileg nicht verzichten wollten. Der Prophet Mohammed (sav) war nicht daran interessiert, die Juden zum Islam zu bekehren; er wünschte lediglich ein Abkommen für die Sicherstellung eines gemeinsamen Miteinanders. Doch entschieden sich die Juden, auch wenn sie ihr Bündnis mit dem Quraischstamm nicht offen zugaben, als eine oppositionelle Gruppe gegenüber den Muslimen zu funktionieren. Als die Spannung mit der Zeit anstieg und eine sehr unsichere Atmosphäre herrschte, änderte auch der Prophet seine Einstellung gegenüber den Juden und entschied weniger aus religiösen, sondern vielmehr aus politischen, sozialen und ökonomischen Gründen, die Juden aus diesem Gebiet zu entfernen.

Solange es aus religiöser Sicht nichts einzuwenden gab, fügte sich der Prophet auch diplomatischen Formalitäten. Ein Beispiel ist, als man ihn daran erinnerte, dass der byzantinische Kaiser nur versiegelte Briefe lese und er daraufhin seinen Brief an den Kaiser versiegeln ließ. Und wieder ließ er nach dem Brauch der Araber zunächst bei seiner Ankunft in Medina und später bei seinen Feldzügen stets eine Flagge oder Fahne tragen. Der Gottesgesandte erwies in seinem formalen Schriftverkehr mit den Staatsherren außerordentlich feine diplomatische Vorsicht und Weisheit und auch seine Boten besaßen ausgezeichnete diplomatische Fähigkeiten, was sich an ihren bewundernswerten Reden und Verhaltensweisen vor den verschiedenen Herrschern zeigte.

Sein sanftes und großzügiges Verhalten gegenüber Staatsmännern anderen Glaubens, bei Verhandlungen über Friedensabkommen und bei seinen Bemühungen um Friedensbewahrung, war ein Teil seiner Außenpolitik. „Wenn euch der Weise (Führer, Adlige, Angesehene) eines Stammes besuchen kommt, so bewirtet ihn" 2. Und auch als Adi b. Hatim zu Besuch kam, wurde ihm ein Kissen zurechtgelegt; dies beeindruckte ihn sehr und er bezeugte, dass er nicht nach diesseitiger Überlegenheit und Verwirrung strebe, und wurde so zum Muslim. Viele Stammesoberhäupter - und mit ihnen der gesamte Stamm - bekannten sich aufgrund dieser wohlwollenden Verhaltensweise des Gottesgesandten zum Islam.

 

Wirtschaft

Mohammed (sav) setzte nicht nur die Prinzipien sozialer Gerechtigkeit, er verwirklichte sie auch. Die neuen ökonomischen Maßnahmen hatten die Kluft zwischen Arm und Reich erheblich reduziert; es kam zu einem natürlichen Gleichgewicht. Die Armen waren nicht neidisch auf die Reichen und unterstützten deren Wohlbefinden, und die Reichen nahmen die Armen in ihren Schutz.

Der Prophet legte zunächst einen Marktplatz fest, wo nur muslimische Händler ihre Geschäfte  betreiben konnten. Er verordnete, dass dieser Marktplatz nicht verkleinert werde, dass es keine festen Stammplätze gebe und dass auf dem Marktplatz keine Steuern erhoben werden durften. Dies ermöglichte den Muslimen sowohl einen nach den islamischen Normen abgewickelten Handel, als auch die Möglichkeit der Gründung einer unabhängigen Wirtschaft, die nicht unter der finanziellen Überlegenheit der Andersgläubigen und insbesondere der Juden litt. Der steuerfreie Handel reduzierte die Unkosten und stellte somit einen attraktiven Markt dar, die nicht dauerhafte Besetzung der Marktplätze sorgte für Gerechtigkeit unter den Händlern und die damit verbundene Ablehnung von Privilegien unterstützte die Unternehmenslust der Händler. Der Gottesgesandte segnete die Lieferanten des Marktes und verfluchte den Schwarzmarkt und verbot auch die Verzollung von Gütern im städtischen Transport und sorgte somit für eine ständige Warenzufuhr in Medina.

Mit dem Wachsen der islamischen Gesellschaft und der Zunahme der eingenommenen Steuern beauftragte der Prophet Mohammed (sav) Beamte zum Einsammeln der Zakat (Almosensteuer), Dschizya (Schutzsteuer für Christen und Juden), Kharadsch, Uschur und ähnlichen Steuerabgaben und stellte Schriftführer zur Notierung der Steuereinnahmen ein. Er hatte zudem befohlen, bei der Einsammlung der Almosensteuer keinen Zwang auszuüben und kein Unrecht zu tun. Die Beauftragten richteten sich nach dieser Anweisung des Propheten und achteten darauf, dass nicht das wohlgenährteste Tier abgegeben wurde, und wenn doch, so pflegte der Gottesgesandte dieses wieder zurück zu erstatten.

Der Prophet behielt nichts von den reichen Steuereinnahmen aus den zu seinen Lebzeiten eroberten Gebieten und den ihm zugesandten Geschenken für sich. Er legte die jährlichen Unterhaltskosten für seine Familie beiseite und spendete den gesamten Rest auf dem Wege Gottes. Trotz seiner Autorität und diesem Reichtum begnügte er sich mit dem Geringsten, bat Allah stets nach dem Geringsten und führte ein schlichtes und bescheidenes Leben. R. Bosworth Smith bewertet dieses schlichte und bescheidene Dasein des Gottesgesandten als den Höhepunkt seiner Erhabenheit und bewundert seine Überwindung übermenschlicher Hindernisse, seine atemberaubend schöne Lebensweise, seine wundervollen Werke und die Tatsache, dass er den Respekt der gesamten arabischen Halbinsel gewonnen hatte, ein zuvor noch bei keinem Araber gesehenes Beispiel für Moral vorlebte, und trotz alldem stets betont hatte, dass er ein sterblicher und einfacher Mensch sei wie alle anderen auch.

Der Gottesgesandte setzte mit seiner persönlichen Beispielhaftigkeit auf individueller und sozialer Ebene die Maßstäbe der individuellen Perfektion und mit dem von ihm durchgeführten gesellschaftlichen Wandel setzte er die Maßstäbe der sozialen Perfektion. Sein Leben steht auf allen Gebieten für Gleichgewicht und Harmonie.