36 - Die Eroberung von Mekka

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36 - Die Eroberung von Mekka

Die Blutfehde, die seit der Zeit der Dschahiliya zwischen dem in der Umgebung Mekkas lebenden Stamm Banu Bakir b. Abdumenat und dem Stamm Huzaa bestand, wurde mit dem Hudaybiya-Abkommen aufgehoben. Daraufhin hatten sich die Banu Bakir mit den Quraisch und die Huzaa mit dem Propheten zusammengeschlossen. Doch mit Unterstützung der Quraisch hatten die Banu Bakir eines Nachts die Huzaa angegriffen und deren Stammeshaupt Ka'b b. Amr und manche Angehörigen umgebracht. Die Huzaa sandten eine Delegation nach Medina und baten den Propheten um Hilfe. Eigentlich fühlten sich die Huzaa von Beginn an dem Propheten und seiner Religion nahe und hatten den Muslimen in vielen Angelegenheiten, vor allem in der Nachrichtenvermittlung, geholfen. Schon vor dem Hudaybiya-Abkommen hatte der ganze Stamm den Islam angenommen. Der Prophet schickte einen Brief an die Quraisch und verlangte von ihnen, dass sie entweder ihr Bündnis mit den Banu Nadir aufgaben, oder aber Blutgeld für die getöteten Mitglieder der Huzaa zahlten. Er schrieb, dass er ihnen sonst den Krieg erklären werde, weil sie das Abkommen gebrochen hatten. Die Quraisch lehnten sowohl die Entrichtung des Blutgeldes, als auch die Anullierung ihres Bündnisses mit den Banu Bakir ab und schickten Abu Sufyan nach Medina, um das Hudaybiya-Abkommen zu erneuern. Doch Abu Sufyan kehrte ohne Erfolg nach Mekka zurück.

Der Prophet, der sich entschieden hatte, Mekka anzugreifen, begann mit den Vorbereitungen, doch um unnötiges Blutvergießen zu vermeiden und den Feind unvorbereitet zu treffen, hielt er sein Ziel vorerst geheim. Er teilte den muslimischen Stämmen mit, dass er sich in Medina mit ihnen treffen wollte. Um die eigentliche Macht seiner Armee zu verbergen, befahl er den Stämmen, sich mit der Armee unterwegs zu vereinen. Es wurde verboten, Medina zu verlassen und an wichtigen Pässen zwischen Medina und Mekka wurden Wachen platziert, um die Reise nach Mekka und das Eindringen von Spitzeln zu verhindern. Ein von Hatib b. Abu Beltea beauftragter Kundschafter, der die Quraisch über eventuell stattfindende geheime Vorbereitungen informieren sollte, wurde von den Gefährten abgefangen, da der Prophet durch eine Offenbarung über dieses Vorhaben bereits Bescheid wusste. Zusätzlich wurde eine von Abu Katada al-Ansari kommandierte Kundschaftertruppe nach Batn al-Idam geschickt mit dem Ziel, den Feind zu verwirren.

Nachdem er Abu Ruhm für administrative Aufgaben und Abdullah b. Umm Maktum als Vorbeter stellvertretend in Medina gelassen hatte, verließ der Prophet mit seiner Armee am 13. Ramadan 8 (4. Januar 630) die Stadt. Da er das Ziel des militärischen Unternehmens geheim hielt, zog er in Dhul Hulayfa (einem der Orte, an denen man vor der Umra oder Hadsch hält, um in den Ihram zu treten und das Ihram-Gewand anzulegen.) die Ihram Kleidung jedoch nicht an, reiste weiter und machte in Marruzzahran, in der Nähe von Mekka, einen Zwischenhalt. Zusammen mit denjenigen, die sich ihr unterwegs angeschlossen hatten, war die islamische Armee nun 10.000 Mann stark. Die Quraisch, die währenddessen erfahren hatten, dass die Muslime kurz vor Mekka standen, gerieten in Panik und schickten eine von Abu Sufyan geleitete Delegation zum Propheten. Der Prophet hielt die Mitglieder der Delegation eine Nacht lang in seinem Heerlager, ließ sie dem Vorbeimarsch seiner Armee zuschauen und lud sie zum Islam ein. Abu Sufyan und die restlichen Mitglieder der Delegation sahen ein, dass sie es nicht wagen konnten, gegen solch eine starke Armee zu kämpfen, nahmen den Islam an und kehrten nach Mekka zurück. Daraufhin verstand das Volk Mekkas, dass Widerstand zwecklos war. Zu den Quraisch, die sich im Hof der Kaaba versammelt hatten, sagte Abu Sufyan, dass er Muslim geworden war und sie keine Wahl mehr hätten, außer die Niederlage anzunehmen. Er empfahl ihnen, in der Masdschid al-Haram oder bei ihm zu Hause Zuflucht zu nehmen. In gewisser Hinsicht bedeutete dies die Kapitulation Mekkas. Der Prophet gab vor allem Abu Sufyan und anderen Bewohnern Mekkas wie Umm Hani, Hakim b. Hizam, Abu Ruwayha und Budayl b. Warqa, das Recht auf seine Obhut, ehrte sie hiermit und wollte, dass sie sich für den Islam erwärmten. Abbas, ein Onkel des Propheten, der nach Abu Sufyan Mekka erreicht hatte, erzählte den Bewohnern Mekkas dasselbe, also gingen diese zur Masdschid al-Haram oder zu ihren Häusern.

Der Prophet, der plante, Mekka von vier Seiten aus gleichzeitig anzugreifen, wollte, dass seine Heerführer nicht kämpften, bevor sie dazu gezwungen wurden, den Fliehenden nicht folgten, Verwundete und Gefangene nicht töteten und sich dann am Hügel Safa mit ihm trafen. Als Erstes befahl er Khalid b. Walid, der die Truppen der linken Flanke kommandierte, vorzugehen. Die von Safwan b. Umayya kommandierten Truppen der Muschriq von Mekka, die aus Bewohnern Mekkas wie Ikrima b. Abu Dschahil und Suhayl b. Amr und der Streitkraft der verbündeten Stämme bestanden, waren in einem Ort südlich der Stadt, genannt Lit, positioniert. Genau an dieser Stelle betrat Khalid b. Walid die Stadt, besiegte die Streitkräfte der Muschriq und brach hiermit den einzigen Widerstand, der bei der Eroberung Mekkas bestanden hatte. Die Überlebenden versteckten sich in ihren Häusern oder ließen ihre Waffen fallen und baten um Erbarmen. In den Kämpfen waren zwölf oder achtundzwanzig Mekkaner und zwei oder drei Muslime umgekommen. Die von Sa'd b. Ubada kommandierte und aus Ansar bestehende Truppe betrat die Stadt vom Westen aus, während die von Zubayr b. Awwam kommandierte Truppe der linken Flanke, bestehend aus Muhadschir, vom Norden her eintrat. Der Prophet, der die Haupttruppe kommandierte, bewegte sich entlang des Azahir-Weges nordwestlich der Stadt. Unter Begleitung der Muhadschir und Ansar, Allah dankend, betrat er Mekka, übernachtete in Hadschun und traf sich mit den anderen Truppen am Hügel Safa (20. Ramadan 8 / 11. Januar 630).

Der Prophet, der später zur Masdschid al-Haram ging, begrüßte den al-Hadschar al-Aswad (den Schwarzen Stein) und umwandelte die Kaaba. In seiner Ansprache sagte er, dass Mekka als Haram (geschütztes, heiliges Gebiet, in dem besondere Regeln galten) galt und dass sein Status als solcher bestehen bleibe; dass er aber somit alle der Kaaba angehörenden Ämter, außer Hidschaba und Siqaya, abgeschafft habe; dass Uthman Talha für die Hidschaba und sein Onkel Abbas für die Siqaya verantwortlich sein würden. Daraufhin verkündete er eine allgemeine Straffreiheit. Er verkündete des weiteren, dass diejenigen, die sich in der Masdschid al-Haram, in den Häusern der vorher angekündigten Personen oder in ihren eigenen Häusern versteckt oder sich entwaffnet hatten, in Sicherheit seien; dass die Gefangenen nicht getötet und niemand verfolgt werden würde. Obwohl er sie hätte bestrafen können, vergab er den Quraisch, welche die Muslime seit zwanzig Jahren, bei jeder Gelegenheit schlecht behandelt hatten. Er zeigte hiermit ein Beispiel der Barmherzigkeit, desgleichen man in der Geschichte der Menschheit selten Zeuge geworden ist. Der Tag der Eroberung wurde gleichzeitig zu einem wirklichen „Tag des Erbarmens". Keine der Habseligkeiten des Volkes wurde beschlagnahmt und die Gefangenen wurden freigelassen. Für ungefähr zehn Personen, an die man sich später als "diejenigen deren Hinrichtung angemessen war" erinnerte und die durch ihren Hass auf den Propheten bekannt waren, galt die allgemeine Straffreiheit nicht. Drei von ihnen wurden hingerichtet, andere wie Ikrima b. Abu Dschahil flohen, und einigen wurde vergeben.

Nachdem er die Götzen und alles andere an die Götzenanbeterei Erinnernde aus der Kaaba, die das Symbol des Glaubens des Tawhid war, entfernt hatte, betete der Prophet zwei Rakat. Er bat Bilal al-Habaschi darum, auf das Dach der Kaaba zu klettern und den Adhan auszurufen. Als Bilal al-Habaschi dies tat, kamen die Frauen und Männer der Quraisch zum Propheten und wurden zu Muslimen. Diese, die nicht als Gefangene behandelt und freigelassen wurden, wurden "die Tulaka" genannt. Denjenigen, die wie Safwan b. Umayya um etwas Zeit zum Nachdenken baten, wurde vier Monate Zeit gegeben.

Während seines Aufenthaltes in Mekka wohnte der Prophet in dem in Hadschun errichteten Zelt. Als man ihm fragte, warum er nicht in seinem Haus wohne, erinnerte er daran, dass der Sohn seines Onkels, Akil b. Abu Talib, der damals noch kein Muslim war, sein Haus verkauft hatte, als der Prophet nach Medina ausgewandert war und sich beklagend sagte er: "Akil hat uns doch hier kein Haus gelassen!" Obwohl er der Eroberer der Stadt war, dachte er nicht daran, sein Haus unrechtmäßig zurückzunehmen. Mit seinem Spruch "Nach der Eroberung wird es keine Hidschra mehr geben" (Tirmidhi, "Siyar", 33) brachte er zum Ausdruck, dass die Auswanderung nach Medina hiermit beendet und somit keine Pflicht mehr war. Es wird geschrieben, dass das Wort "Nasr" (Hilfe), wonach die 110. Sure des Koran, die Sure Nasr, benannt wurde, auf das Vorherrschen gegenüber allen Arabern deutet, während das sich in derselben Sure befindende Wort "Fath" auf die Eroberung Mekkas zeigt. Die Sure Fath deutet auf das Hudaybiya-Abkommen und somit auch auf die Eroberung Mekkas hin.

Der Prophet, der nach der Eroberung einige Zeit in Mekka verbrachte, berief Attab b. Asid zum Statthalter von Mekka, beauftragte Muaz b. Dschabal mit der Aufgabe, die neuen Muslime über den Koran und die Grundlagen der Religion zu belehren. Danach unternahm er die Gazwa von Hunayn gegen die Stämme der Hawazin. Danach kehrte er zusammen mit den Muhadschir nach Mekka zurück. Infolge der Eroberung Mekkas war die Feindschaft der Muschriq der Quraisch gegenüber den Propheten und den Muslimen beendet, die letzten Hindernisse für die Verbreitung des Islam in der Region waren behoben.

Während sich der Prophet in Mekka befand, beauftragte er einige seiner Gefährten damit, die Götzen in der Umgebung der Stadt zu vernichten. Darunter befanden sich auch die wichtigen Götzen Manat, Suwa und Uzza. Danach begann er mit der Vorbereitung zu verschiedenen Sariyya, um manche Stämme, die sich in der nahen Umgebung der Stadt befanden, zum Islam einzuladen. Im Schawwal 8 (Februar 630) schickte er Khalid b. Walid mit einer 350-köpfigen Armee zum Stamm von Dschazima b. Amir, der sich südlich von Mekka befand. Khalid forderte sie auf, ihre Waffen niederzulegen und Muslime zu werden. Nach einigen Diskussionen legten sie ihre Waffen nieder und um zu zeigen, dass sie Muslime geworden waren, sagten sie "Saba'na", was soviel wie "Wir haben unsere Religion gewechselt" bedeutete. Doch Khalid war mit diesem Ausspruch nicht zufrieden, weil er glaubte, dass sie sich nicht klar genug ausgedrückt hatten. Ihre frühere Feindschaft bedenkend, nahm er sie gefangen, verteilte sie unter seine Soldaten und befahl diesen, die Gefangenen am nächsten Morgen zu töten. Die dem Stamm von Sulayman angehörigen Soldaten gehorchten dem Befehl und töteten ungefähr dreißig Gefangene. Die Gefährten der Muhadschir und Ansar glaubten den Gefangenen, dass diese Muslime geworden waren, und ließen sie frei. Der Prophet, der über diese Geschehnisse durch einen nach Mekka geflohenen Gefangenen erfuhr, war davon sehr betroffen. Er beschuldigte Khalid, dass er mit der Entscheidung, ob diese Menschen zu Muslimen geworden waren oder nicht, zu voreilig gewesen war und sagte "O Allah, ich halte mich von den Taten Khalids fern" und zeigte damit, dass er diese Handlung nicht befürwortete. Er schickte Ali zum Stamm Dschazima, ließ ihn die Blutgelder der Getöteten zahlen und normalisierte die Beziehung wieder, indem er für den materiellen Schaden eine hohe Entschädigung entrichtete.

وَبَشِّرِ الَّذِين آمَنُواْ وَعَمِلُواْ الصَّالِحَاتِ أَنَّ لَهُمْ جَنَّاتٍ تَجْرِي مِن تَحْتِهَا الأَنْهَارُ كُلَّمَا رُزِقُواْ مِنْهَا مِن ثَمَرَةٍ رِّزْقاً قَالُواْ هَذَا الَّذِي رُزِقْنَا مِن قَبْلُ وَأُتُواْ بِهِ مُتَشَابِهاً وَلَهُمْ فِيهَا أَزْوَاجٌ مُّطَهَّرَةٌ وَهُمْ فِيهَا خَالِدُونَ
Übermittle den Gläubigen, die gute Werke verrichten, die fröhliche Botschaft, dass Gott sie mit Paradiesgärten belohnen wird, unterhalb derer Flüsse fließen! Wenn sie Früchte erhalten, sagen sie: "Diese ähneln in Form und Art jenen, die wir früher auf Erden bekommen haben." Doch sie sind nur ähnlich. Reine, makellose Gattinnen werden sie dort haben. Im Paradies werden sie ewig bleiben.