Glaubensfreiheit in den Handlungen des Propheten

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Donnerstag, 3. Februar 2011

Glaubensfreiheit in den Handlungen des Propheten

 

Im Koran gibt es viele Verse, in denen wir aufgefordert werden, unseren Verstand einzusetzen, zu denken, nachzudenken und zu überlegen. Die Botschaft dieser Verse ist es, die Menschen ohne jeglichen Zwang zum Nachdenken zu motivieren um Ereignisse eigenständig zu bewerten und das Rechte durch eigenes Vermögen finden zu können. Doch haben Ideen oder ein Glaube keine Bedeutung, solange sie bloß gedacht werden. Das eigentlich Wichtige ist die freie und uneingeschränkte Äußerung einer Idee, ihre Verkündung, Verbreitung und Verwirklichung.

Der Islam gibt den Gläubigen nicht nur das Recht zur freien Meinungsäußerung, er verpflichtet sie sogar dazu, diese Gedanken zu erläutern. Zudem ist die Meinungsfreiheit notwendig für die Ausübung des religiösen Prinzips “al-amr bi’l-ma'ruf wa’n-nahy ani’l-munkar” (at-Tauba, 9/71). Ist in einer Gesellschaft keine freie Meinungsäußerung gegeben, so kann jene Empfehlung/ Verordnung/ Bestimmung von den Menschen nur schwer praktiziert werden; die Menschen könnten in diesem Falle weder das Gute verordnen, noch das Böse verbieten.

Das Recht zur freien Meinungsäußerungsichert gleichzeitig das Recht auf religiöse Freiheit und Glaubensfreiheit. Zudem sind Religion und Glaube eine Gewissensfrage und keine Macht vermag diese zu beeinflussen. Der Vers „Es soll keinen Zwang geben in Sachen des Glaubens. Klar ist nunmehr unterschieden das Rechte vom Irrtum” (al-Baqara, 2/ 256) zeigt, dass Zwang und Glaube nicht zusammen existieren können. Selbst Allah, der die Menschen erschaffen und mit jeglichem Segen bedacht hat, gibt ihnen die Freiheit, an ihn zu glauben oder nicht (al-Insan, 76/ 3); somit liegt die Sinnlosigkeit eines Zwangs seitens der Menschen deutlich auf der Hand.

Ist die heilige Botschaft den Menschen offen verkündet worden, so ist die Aufgabe des Propheten erfüllt und er besitzt nunmehr keine Verantwortung für das Handeln der Menschen. Es ist nicht seine Aufgabe, im Rahmen der verkündeten Botschaft die Betroffenen zum Glauben zu zwingen. In diesem Zusammenhang berichtet der Koran:

“So ermahne; du bist nur ein Ermahner, Du hast keine Macht über sie”(al-Ghaschiya, 88/ 21-22).

“Und wenn sie sich abwenden, so haben wir dich nicht zu einem Hüter über sie entsandt; dir obliegt nur die Predigt.”(al-Schura, 42/ 48).

“Siehe, hinabgesandt haben wir auf dich das Buch für die Menschen in Wahrheit, und wer geleitet ist, der ist es zu seinem eigenen Besten, und wer irregeht, der geht irre wider sein eigenes Bestes, und du bist nicht ihr Schützer.”(al-Zumar, 39/ 41)

“Und sprich: Die Wahrheit ist von eurem Herrn; und wer will, der glaube, und wer will, der glaube nicht.”(al-Kahf, 18/ 29).

“Und dem Gesandten liegt nur die deutliche Predigt ob.”(al-Nur, 24/ 54).

“Sprich: O ihr Menschen, nunmehr kam zu euch die Wahrheit von eurem Herrn. Und wer da geleitet ist, der ist nur zu seinem eigenen Besten geleitet; und wer irregeht, der geht nur zu seinem eigenen Schaden irre. Und ich bin nicht euer Hüter.”(Yunus, 10/ 108).

Diese Verse verdeutlichen die islamische Stellung zur Glaubensfreiheit. Niemand kann zur Annahme oder Rückweisung des Islam gezwungen werden. Wird der Mensch dazu gezwungen, so hat die Verantwortlichkeit des Menschen, seine freie Wahl, die göttliche Gerechtigkeit, Strafe und Belohnung und das Diesseits als Prüfung keine Bedeutung mehr und das Jüngste Gericht, das Jenseits, das Paradies und die Hölle verlieren ihren Sinn.

Die Praktizierung der Religions- und Glaubensfreiheit seitens des Propheten Mohammed (sav) wurden hiermit im Rahmen theoretischer Grundsätze zusammenfassend dargestellt. Diese Grundsätze wurden nicht allein vom Propheten und seinen Kalifen befolgt; sie waren religiöse Verordnungen, an welche sich alle islamischen Staatsführer halten mussten. Aus diesem Grund haben die Staatsführer gegenüber Nichtmuslimen keinen Zwang ausgeübt und ihnen ihren eigenen Glauben gelassen. Und somit konnten nichtmuslimische Minderheiten in verschiedenen islamischen Ländern ihre Existenz stets fortführen.

Das Verhalten der Muslime gegenüber Andersgläubigen hat seine Basis in der koranischen Lehre und den Praktiken des Gottesgesandten. Die Frage der Glaubensfreiheit wird im Koran offen befürwortet und unterstützt. Im Koran wird stets wiederholt, wie Allah dem Menschen mit seiner Erschaffung auch die Glaubensfreiheit gab. Siehe dazu auch den Artikel von Sinasi Gündüz..

Der Prophet Mohammed (sav) hat den Menschen den Islam verkündet und danach ihrem Gewissen überlassen. Die Gläubigen wurden zu Brüdern erklärt und diejenigen, die an ihrem ursprünglichen Glauben festhalten wollten, wurden respektiert und in keiner Weise abgelehnt.

Die Religions- und Gewissensfreiheit für Nichtmuslime zeigte sich in der Ausübung der Glaubensfreiheit, der Liturgien, Rituale und Lehren. Der Islam erteilte Nichtmuslimen die Erlaubnis, ihren eigenen Glauben zu wahren. Insbesondere Artikel 25 des Vertrages von Medina, das nach der Wanderung von Mekka nach Medina erstellt wurde, widmet sich diesem Thema. Dort heißt es:

“Die Juden von Banu Awf sind zusammen mit den Gläubigen eine Gemeinde. Der Glaube der Juden gehört ihnen, der Glaube der Gläubigen den Gläubigen (Muslimen). Dies gilt sowohl für sie selbst, als auch für ihren Gott.”

Die vom Gottesgesandten anerkannte Religions- und Gewissensfreiheit für Nichtmuslime kann am deutlichsten in seinem Verhalten gegenüber den Christen aus Nedschran entnommen werden. Als der Prophet Mohammed (sav) die Christen aus Nedschran bei ihrem Besuch in Medina zum Islam einlud, hatten die Christen die Einladung nicht angenommen und dafür ein Abkommen über Steuerzahlung unterschrieben. In einem für unsere vorliegende Ausführung relevanten Abschnitt heißt es:

“Das Hab und Gut, das Leben, die religiösen Praktiken der hier Anwesenden und nicht Anwesenden, ihrer Familien, ihre Gebetsstätte und ihr Besitz eingeschlossen, all dies liegt in der Obhut Allahs und dem Vermögen des Gesandten Mohammed. Dies ist ein Recht der Christen aus Nedschran und den ihnen Zugehörenden. Kein Bischof wird seinem Zuständigkeitsbereich entnommen, kein Priester aus seiner Kirche entfernt, kein Mönch muss sein Kloster verlassen…”

Der Leiter der Delegation und das Oberhaupt der Christen aus Nedschran kehrten nach ihrer Reise aus Medina wieder zurück und bekannten sich dann freiwillig zum Islam. Hier ist der Einfluss der vom Propheten ausgeübten Religionsfreiheit und religiösen Toleranz deutlich zu erkennen.

Der Prophet Mohammed (sav) hatte auch den Jemeniten eine weitläufige Religionsfreiheit eingeräumt. In der Verordnung, die dem Gebietsleiter Muadh b. Dschabal gesandt wurde, wird folgendermaßen zu den Jemeniten gesprochen:

“Ich habe euch Muadh b. Dschabal gesandt, um euch in Weisheit und mit schönen Worten auf den Wege Allahs einzuladen. Er wird die Einladung nach dem Belieben Allahs annehmen oder ablehnen. Wer unter euch akzeptiert, dass es keinen Gott gibt außer Gott und Mohammed (sav) sein Gesandter und sein Geschöpf ist und sich voll und ganz dem Islam hingibt, der besitzt alle Rechte, die ein Muslim besitzt, und dem obliegt die Verantwortung aller Muslime. Und wer die Steuer bezahlen und in seinem vorherigen Glauben verweilen will, dem wird sein Glaube gelassen. Dieser obliegt dem Schutze Allahs, seines Gesandten und der Gläubigen; dieser darf nicht getötet, gefangen genommen und ihm darf nicht seine Kräfte übersteigende Verantwortung aufgeladen werden, und er darf nicht gezwungen werden, sich von seiner Religion abzuwenden.”

Die freie Religionsausübung für Nichtmuslime beinhaltet notwendigerweise auch den Schutz der Kirchen, Synagogen und ähnlichen Gebetsstätten. Die Delegation aus Nedschran, die nach Medina kam, um den Gottesgesandten zu sprechen, fragte den Propheten nach einem Platz, um ihr Gebet durchzuführen. Er verwies sie auf die Moschee in Medina; und sie führten ihre Liturgie in dieser heiligen Stätte, in der die Muslime ihre Gebete verrichteten, durch. Im Abkommen mit den Christen aus Nedschran wurde offen dargelegt, dass ihre Gebetsstätten nicht angerührt wurden. In demselben Schreiben wird auch aufgeführt, dass es ihnen erlaubt war, ihre religiösen Lehren zu studieren und diese ihren Kindern beizubringen. Die Religions- und Gewissensfreiheit, die Freiheit der religiösen Praxis, das Ausleben, Verbreiten und Lehren der Religion wird als eine Einheit aufgefasst. Die Aufhebung bzw. Einschränkung einer dieser Freiheiten wird als Verletzung der Glaubensfreiheit angenommen. Folglich kann man von einem Gottesgesandten, der selbst den Zuständigkeitsbereich eines Bischofs, Priesters oder Mönchs nicht ändert, nicht erwarten, dass er ihre Freiheit der Glaubensverbreitung und –lehre zurückweist oder begrenzt.

Als natürliche Folge der Religions- und Gewissensfreiheit genossen Nichtmuslime in zivilrechtlichen und besonderen Rechtsangelegenheiten zu Familien-, Schulden- und Erbschaftsfragen volle Freiheit. Sie erhielten sogar das Recht rechtliche Streitigkeiten unter sich und nach ihrem eigenen Rechtssystem zu regeln, welches eben als Ergebnis der Religionsfreiheit angesehen wurde. Schließlich verurteilte der Gesandte Allahs die Juden aus Qurayza, die sich in der Khandak-Schlacht mit den Ungläubigen aus Mekka verbündeten, nicht nach islamischem, sondern nach jüdischem Recht. Das Recht der Steuerzahler auf gerichtliche Selbstverwaltung wurde ihnen auch nach dem Propheten Mohammed (sav), während der gesamten islamischen Geschichte zugestanden.